Ist es erlaubt, den Sheikh um spirituellen Beistand zu bitten?

Bismillahirrahmanirrahim


Ist es erlaubt, den Sheikh um spirituellen Beistand zu bitten?

 

Sheikh Eşref Efendi, Berlin, 05.12.2014

 

Es-Selamun aleykum ve Rahmetullahi ve Berekatuhu
Hazihis Salatu taziman bi hakkike ya Seyyiduna Muhammed sav

 

Dieser kurze Artikel wurde im Hinblick auf Zweifel in Herzen und Gedanken einiger Glaubensgeschwister, die die Zulässigkeit des Bitten des Sheikh um seinen spirituellen Beistand betreffen, verfasst.


Möge der Herr uns aus Seiner Wahrheit sprechen lassen und uns vor Fehlern wahren.

Es steht außer Zweifel, dass die Quelle jeder Art von materiellem und spirituellem Beistand der Allmächtige Schöpfer Selbst ist.
Für wahrhaftige Gläubige steht es außer Frage, einen anderen als den Allmächtigen Schöpfer um Beistand und Hilfe zu bitten.
Warum bittet man dennoch auch Propheten und Heilige um ihren spirituellen Beistand?

 

Propheten und Heilige um Beistand zu bitten, bedeutet in Wahrheit nicht ihre Person sondern ihre Seelen, die in der Göttlichen Gegenwart zugegen sind, anzurufen.

 

Die Sufis verstehen unter spirituellem Beistand, dass der Herr Seinen Geschöpfen durch Seine ihm nahen Diener, Seine Stellvertreter auf Erden, wie die Propheten und Heiligen Hilfe und Beistand zukommen lässt.

 

Aus diesem Verständnis heraus nimmt ein Sufi, der sich auf dem spirituellen Weg seinem Herrn zu nähern trachtet, den spirituellen Beistand über die Propheten und Heiligen und dem Sheikh sehr ernst.

 

Denn er glaubt inständig an die Wahrheit des heiligen Verses aus dem Letzten Testament, dem Heiligen Koran, dass kein Blatt, sich vom Ast bewegen kann, ohne den Willen und die Hilfe, den Beistand seines Schöpfers.

 

Und um diesen Göttlichen Beistand in jedem Augenblick erreichen zu können, wendet der Sufi sich an den Heiligen Propheten asv, die Heiligen oder an den Sheikh, dass heißt im Grunde an die Diener des Herrn, über die der Herr Seinen Dienern Seinen Göttlichen Beistand zukommen lässt.

 

Es steht für den Sufi, der sein Leben lang der Ein und Einzigkeit seines Herrn gedenkt, außer Frage, von der menschlichen Identität eines Propheten oder Heiligen spirituellen Beistand und Hilfe zu erbitten.

 

Es ist vielmehr, die Nähe und spirituelle Stufe der Propheten und Heiligen in der Göttlichen Gegenwart, worin der Sufi Zuflucht sucht.

Wozu gibt es denn sonst das Amt des Kalifatullah, den Stellvertreter des Herrn?

Der Herr sagt über İnsan-ı kamil, den Wahren Menschen: „Ich habe den Menschen für Mich als Stellvertreter auf Erden erschaffen.“

Was ist die Aufgabe eines Stellvertreters?

 

Wenn man von einem Stellvertreter des Herrn mit Vollmacht spricht, was anderes ist zu verstehen, als der Dienst und die Vermittlung zwischen Diener und Herr im Namen des Herrn?

Wozu gibt es Statthalter für Länder und Regionen?


Als Stellvertreter, Repräsentant des Sultans beziehungsweise des Regierungschefs.
Weil der einfache Bürger nicht eigenmächtig an die Tür des Sultans klopfen und ihm sein Anliegen unterbreiten kann, findet er erst mal Gehör beim zuständigen Stellvertreter.

 

Nicht nur das! Wenn es die Propheten und die Heiligen nicht gäbe, hätten wir gar keine Kenntnis über unseren Herrn.

So wie zwischen Patient und seiner Heilung, immer ein Arzt dazwischen tritt.


Wenn wir „Meded Ya Şafi – Hilfe O Heilung-Gebender“ rufen, kommt die Heilung nicht selbst zum Kranken. Sie kommt über den Arzt zu ihm.

Wenn die Heilung von selbst kommen würde, wäre das ein Wunder.


Aber man sollte keine Wunder erwarten, da die Welt in der wir leben Esbab ül Hayat, die Welt der Kausalitäten und Begründungen ist. Der Vermittler ist ein Muss!

 

Aus diesem Grund, macht der Herr, der Şafi, Heilung-Gebender ist, den Arzt zum Anlass für die Heilung Seines kranken Dieners.

Daher eilt der Kranke zum Arzt.


Ein Wundbrand-Patient sagt nicht, „der Herr ist mir genug“. Er ruft: „Schnell ein Arzt, ich brauche einen Arzt!“ und rennt zum Doktor.

Ein Gläubiger weiß und sagt sich: „Selbstverständlich kommt die Heilung nur von Allah, sie kommt aber über Seinen Stellvertreter für Heilung, dem Arzt beim Patienten an.“ Und mit diesem Wissen und der Absicht, das der Herr Seine Heilung über Seinen Diener und Stellvertreter weitergibt, geht er zum Arzt.

 

Aus demselben Grund heraus, sucht der Gläubige, insbesondere der Sufi spirituelle Zuflucht und Beistand beim zuständigen Stellvertreter, dem Sheikh, wenn er ruft: „Meded ya Sheikh“.

 

Er erweist den Stellvertretern des Herrn seinen Respekt und findet Zuflucht und Beistand bei ihnen, indem er sie, die spirituellen und himmlischen Zentren, um ihre Unterstützung bittet.

El- Hak! - Das ist die Wahrheit!


Der Mensch ist in seiner Natur schwach und sucht immer Zuflucht, Unterweisung und Beistand. Daher sucht das Kind die Nähe seiner Eltern, der Schüler die seines Lehrers und der Sufi die seines Sheikh. Denn der Sheikh ist für seinen Sufi-Schüler der Wahre Mensch İnsan-ı kamil.

„İnsan-ı kamil“,


als Wahrer Mensch werden diejenigen betitelt, die mit dem Gewand des Stellvertreters des Herrn bekleidet sind; deren Hand durch die Hand des Herrn, deren Schritt durch den Schritt des Herrn, deren Wort durch das Wort des Herrn geführt werden.
Sie sind geehrt durch das Tragen der Ehre des Herrn und verfügen so über Seine ihnen zur Verfügung gestellten spirituellen Kraft und Autorität.

 

Sie sind lediglich die Träger des Amtes, der Spiegel aber niemals selbst die Urheber oder Quelle dieser Kraft. Das ist nur Allah, der Herr.

Mit diesem Verständnis ersucht der Sufi Hilfe bei seinem Sheikh, den er als Wahren Menschen annimmt und richtet im Grunde sein Ersuchen über seinen Sheikh, der ihm als Spiegel dient, an seinen Herrn.

Denn ohne Zweifel ist der Herr allein im Besitz der absoluten Allmacht. Er manifestiert Seine Macht und Gaben aber über Seine Stellvertreter in der Existenz.

 

Ein Beispiel:
Dass es Engel gibt, die die Menschen begleiten und sie schützen, ist im Heiligen Koran folgendermaßen offenbart:
Für ihn ist eine Schar von Engeln stetig abwechselnd vor ihm und hinter ihm beauftragt; sie behüten und beschützen ihn auf Allahs Geheiß.
[Ar-Rad, 13/11]

 

Wenn es keine Shirk, Vielgötterei ist, zu glauben, dass Engel einen beschützen, dann kann es auch keine Shirk sein, wenn wir glauben, dass Propheten und Heilige uns Schutz und Beistand geben können. Solange wir ihnen, aufgrund ihrer spirituellen Autorität, nicht die Rolle des Schöpfers aufsetzen, liegt keine Shirk, die aller höchste Sünde der Vielgötterei vor.

Denn die Wahrheit, dass es in der Existenz nur Seine Existenz gibt und sonst nichts, ist das Fundament unseres Glaubens.

Fragen wir noch ein mal:
Gibt es Vermittler und Fürsprecher in der Religion?

Gibt es.

 

Der 2. Kalif Omar ibn al-Chattab (r.a./möge Allah mit ihm zufrieden sein) erachtete aus Bescheidenheit seine eigene Spiritualität und Nähe zu Allah als zu gering, als er sich zum Regen-Gebet aufmachte, so dass er die Vermittlerfunktion des Onkels des Propheten (sav), Seyyidina Abbas (r.a.) als Fürsprecher dem Bittgebet voranstellte:


»O Allah, wir geben den Onkel des Propheten Dir zum Anlass und erbitten dich (seinetwillen), es regnen zu lassen.« (Buhari)

Als Omar ibn al-Chattab (r.a.) den Propheten (sav) um seine Erlaubnis bat, die Pilgerreise anzutreten, sagte das Siegel der Propheten (sav): »Mein Bruder vergiss uns nicht, in deinen Gebeten zu erwähnen«. Und befahl Seyyidina Omar sogar, wenn er Veysel Karani (r.a.) sehen sollte, ihm zu sagen, dass er für ihn beten solle.

 

Nach Vorbild des Propheten (sav), einen anderen Gottesfreund um Gebet und spirituellen Beistand zu bitten und ihn zwischen sich selbst und seinem Hern als Fürsprecher zu stellen, verhindert den Menschen gefallen an seiner eigenen Spiritualität und seinem Gebet zu empfinden und selbstgefällig und hochmütig zu werden.

 

Der Mensch übt sich bei der Bitte um Fürsprache und Gebet einerseits in der Selbsterinnerung an seine schwache Natur und andererseits in Bescheidenheit, um sich von Eitelkeit und Hochmut zu reinigen. Außerdem ist die Bitte um Fürsprache, wie es das Beispiel zeigt, eine Sunna des Propheten (sav).

 

Aus diesem Anlass und in dieser Form, gibt es in unserer Religion Vermittler und Fürsprecher, die erforderlich sind.

Zum Beispiel:
Die Vermittler der Göttlichen Rechtleitung und des Göttlichen Wortes aus der Vorewigkeit sind die Propheten.
Die Vermittler der Göttlichen Befehle und Offenbarungen an die Propheten sind die Engel.
Die Vermittler der Göttlichen Gnade und Belohnung, sind Seine Gaben und das Paradies.
Die Vermittler der Ergebenheit und Dienerschaft sind die Gebete und Andachten.
Die Vermittler der Annäherung an die Göttliche Gegenwart sind Fähigkeit und Frömmigkeit.
Das heißt also, dass es keinen Ort, keine Zeit, keinen Zustand und keine Situation ohne Vermittler gibt.

 

Aus dieser Perspektive betrachtet, gibt es bei Anrufung der Propheten und Heiligenum ihren Beistand keinerlei Legitimationsprobleme der Sharia, im Gegenteil sie wird für den Gläubigen sogar unverzichtbar.

 

Denn für den Sufi-Schüler ist das Bitten des Sheikh um seinen spirituellen Beistand, wie die Bitte des hungrigen Kindes an seine Mutter um Brot.

 

Der Unterschied zwischen Kind und Sufi-Schüler ist hierbei:
Das Kind weiß, dass die Hand, die ihm Brot reicht, die Hand der Mutter ist und denkt nicht weiter nach.

Der Sufi-Schüler sieht, welche Hand ihm gibt, erkennt gleichzeitig auch, wer ihm diese Gabe geben lässt.
So bedankt er sich bei der Hand, die gibt und
lobpreist Den, der geben lässt.

 

Fakt ist:
Wen konsultiert ein Mensch, der krank geworden ist, bei wem sucht er Rat und Tat?
Wen bittet er um Beistand und erwählt ihn als zuständiger Vermittler seiner Heilung?

Wer die Antwort kennt, kennt auch denjenigen, der ihm spirituellen Beistand leisten kann und Denjenigen, Der diesen Beistand schickt.

 

Solch einer sagt denn:
»Allah, der Herr ist der absolute Heilung-Gebende, er schickt mir die Heilung über einen Arzt. Lob und Dank gebühren meinem Herrn. Möge der Herr zufrieden sein mit diesem Arzt.«

Meded ül Hak, möge der spirituelle Beistand des Herrn mit denen sein, die Seine Wahrheit kennen und sprechen.


Sagen wir:
»La ilahe illallah Muhammeder Resulullah.«

 

Seid gesegnet und gegrüßt.