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Allah und die Kreise der Existenz

Bismillahirrahmanirrahim


Allah und die Kreise der Existenz

 

Sheikh Eşref Efendi, Berlin, 02.08.2014

 

Wenn wir nur wahrhaftig wissen würden was es bedeutet, den Namen ‚Allah‘ zu sprechen, zu singen, zu rezitieren!

Welche Kraft und Wirkung dieser Name auf unseren Körper hat - auf jedes einzelne Glied, jede einzelne Zelle, auf unsere Seele und auf unser Herz - selbst auf unsere Umgebung. Wir würden kein anderes Wort mehr sprechen, nur noch ‚Allah‘, Tag und Nacht.

 

Höre genau zu, welch‘ Klang dieser Name hat: Allah - All-Macht – Allah – All-Macht.
Mächtig zu sein über alles, die Wirkung der göttlichen Macht in sich zu spüren...

Diese Schöpfung ist ein Kreis!

 

Wenn du dir die Schöpfung in einer Form vorstellen willst, dann ist der Kreis die nächstliegende Form. Doch wohlmöglich sind es sogar zwei Kreise: Zwei Kreise übereinander.

 

Vielleicht erinnern dich diese zwei Kreise an die Zahl 8. Was bedeutet diese Zahl in der Esoterik? Welche Symbolik wird ihr zugesprochen? Unendlichkeit, Ewigkeit! Stelle man sich die Zahl 8 vor: Sie bildet zwei Kreise, nicht identisch, aber auch nicht voneinander getrennt. In Wahrheit steht die 8 für das Leben hier auf Erden - das Diesseits - und für das Leben danach – das Jenseits. Beide sind miteinander verknüpft; nicht gleich, aber unmittelbar zusammen.

 

Diese materielle und die nichtmaterielle, spirituelle Welt sind weder getrennt noch gleich. Wer das versteht, ist schon ein großer Heiliger geworden: Weder getrennt, noch gleich!

 

Seele und Körper: Sind sie getrennt oder gleich? Weder getrennt noch gleich, das ist die richtige Antwort. Der Mensch ist Körper und Seele zugleich. Nimmst du den Körper weg und wirfst ihn fort, bleibt die Seele allein. Da kannst du dann nicht mehr von einem Menschen sprechen.

 

„Ich bin ein Mensch!“
Nein, du bist eine Seele!
„Aber ich war doch ein Mensch.“
Ja, aber wo ist der Körper?

„Ich bin ein Körper!“


Wo ist die Seele? Bist du ohne Seele ein Mensch?

„Was bin ich dann? Ich bin ein Zombie...“

 

Ein Zombie hat keine Seele, ist daher auch kein Mensch.

Dass man sich die Schöpfung bildlich als einen Kreis vorstellt, unterstützt ein Verständnis davon zu bekommen. Denn der Mensch kann sich nur mit Hilfe von Bildern etwas vorstellen und dadurch eine Art Verständnis dafür entwickeln.

 

In Wahrheit aber hat alles, was von Allah kommt, weder eine Form noch ist es uniform. Alles ist einzigartig in seiner Beschaffenheit: Unendlich, ohne Grenzen!

 

Damit wir uns nun ein Bild von der Schöpfung machen können, spricht Allah, der Herr: „Die Schöpfung, die Welt, ist ein Kreis. Bis du drin im Kreis, bist du in der Schöpfung, dann bist du da. Bist du außerhalb des Kreises, bist du nicht da.

 

Aus diesem Grund hat der Stützpfeiler und Gründer unseres ehrenwerten Ordens der Naqshibandiya - der Großsheikh Sheikh Bahauddin Naqshband - gesagt: „Unser Weg ist der Weg der Zusammenkunft mit dem Sheikh und seiner spirituellen Ansprache. Das Gute, das Heil und der Segen - das Lebendigmachende - liegt in der Gemeinschaft.“

 

Versinnbildlichen wir die Bedeutung von Gemeinschaft in einer geometrischen Form, zeigt sich wieder der Kreis. Wir sprechen daher auch von einem Zirkel, von einem Gemeinschaftskreis. „In welchen Kreisen verkehrst du?“, fragen die Deutschen.

Das Wort des Herrn gibt der Gemeinschaft den Segen und die Kraft des Lebens!

 

Du bist verloren, solltest du zu keiner Gemeinschaft gehören. Es muss sein, es ist ein Muss! In welchen Kreisen verkehrst du? Was bedeutet das? Immer bewegst du dich in einem Kreis, egal, wohin du gehst. Du bist in deinem Leben verkreist! Die Zahl 8, das ist dieses Leben. Sie besteht aus diesen zwei Kreisen.

 

Wie ist das nun zu verstehen? Wenn ich aus dem einen Kreis heraustrete, lande ich in dem anderen, jener vorige ist nicht mehr da. Trete ich nun aus diesem Kreis wieder zurück in den anderen, ist der von eben nicht mehr da. Wie soll man damit umgehen? Deshalb hat dir Allah zwei Beine gegeben!

 

„Sheikh, was haben denn nun jetzt die Beine damit zu tun?“
Damit du in beiden Kreisen fest stehen kannst! Zu fünfzig Prozent in diesem Kreis, zu fünfzig Prozent im anderen...

Eines Tages sah der Prophet Mohammed (Friede auf ihn) einen Mann auf einem Bein stehen und fragte ihn: „Was tust du denn da?“ Dieser antwortete: „Na, ich ruhe das eine Bein aus, indem ich nur auf dem anderen stehe.“ Der Prophet entgegnete: „Das geht nicht, das kann nicht sein. Du hast die gesamte Last auf das eine Bein gelegt, das ist nicht gerecht. Du musst es aber gerecht verteilen. Kannst du das nicht, solltest du dich hinsetzen. Du sitzt doch sogar beim Sitzen auf deinen zwei Backen und nicht nur auf einer.“

Ist das nicht so?

 

Wenn wir ‚Allah‘ sagen, ist damit die Eigenschaft des Herrn gemeint, die alles umarmt und umfasst:

Der Barmherzige zu sein,
der Allgnädige zu sein,
der Verzeihende zu sein,
der Allliebende zu sein,
der Schaffende zu sein,
der Sehende zu sein...

... um nur einige seiner 99 schönen Namen zu nennen.


Darüber hinaus gibt es unendlich viele Namen und Eigenschaften des Herrn. Doch all diese Namen sind in ihrer Einzigartigkeit nicht so umfassend, wie der Name ‚Allah‘:

Der alles Umfassende - das ist die Bedeutung, das ist die höchste Eigenschaft!

 

Diese 99 Namen und die unendlich anderen Namen und unendlichen Eigenschaften des Herrn werden durch den Namen Allah in sich hineingezogen und in ihm vervollkommnet, eingeschlossen und vervollständigt. Die Eigenschaften, Namen und Titel des Herrn haben kein Ende. Und alles, was kein Ende hat, sind göttliche Eigenschaften, keine menschlichen.

Wie aber soll man nun Allah kennenlernen?

 

Wenn die Gottesfreunde, die Heiligen, die ein Bewusstsein und das Verständnis über die Wirkung, Kraft und Macht des Namens ‚Allah‘ haben, nur ein einziges Mal Seinen Namen aussprechen, fallen sie in Ohnmacht. Warum? Weil sie sich dann in dem Kreis des Namens ‚Allah‘ befinden, sich fühlen und spüren – und das können sie nicht tragen. So wie hier gerade unser Bruder beim Drehen die Sterne gesehen hat und zu Boden fiel.

 

Ich habe noch nie jemanden gesehen, der mit solch einem breiten Lächeln im Gesicht hingefallen ist. „Sheikh, ich habe wahrhaftig gesehen, wie beim Drehen meine Seele in den Himmel geflogen ist. Dieses Erlebnis war zu viel für mich, ich konnte das nicht tragen und ließ mich fallen.“

 

Er ist ein Gefallener – ein glücklich Gefallener; das passiert nicht jedem. Fällt man in einen Ozean ohne Anfang und ohne Ende, bleibt von einem nichts mehr übrig: Kein Haar, kein Auge, kein Kopf, kein Arm...

 

Stellen wir uns einen Regentropfen vor: Dieser eine Tropfen hat keinen großen Nutzen. Weder reicht er dazu eine Pflanze zu bewässern noch den Durst eines Menschen zu stillen. Fällt dieser eine Tropfen aber in den Ozean, wird er im selben Augenblick zu Nichts.

Gleichzeitig aber auch zu etwas viel größerem – dem Ozean selbst.

Alles oder nichts! Es geht um Alles oder Nichts!

Willst du Alles sein oder Nichts?

 

‚Es geht um Alles oder Nichts‘ bedeutet: Willst du Alles sein oder Nichts bleiben?

Bleibst du Nichts oder willst du alles?

Willst du alles?


„Ja Sheikh, all-inclusive.“
Alles klar.


„Aber es soll fast kostenlos sein, billig eben. All-inclusive für vierzehn Tage mit TUI-Reisen in die Türkei im Dreitausend-Leute-Hotel für zweihundert Euro, Flug und Hotel inklusiv.

 

Allah – ein Ozean; ohne Anfang und ohne Ende.

Wir können uns nicht vorstellen, welche Kraft im Namen ‚Allah‘ steckt. Wir reden nicht von dir und von mir, die in einen endlosen Ozean ohne Anfang und ohne Ende hineinfallen. Nein! Alle unendlichen Namen und unendlichen Eigenschaften des Herrn sind in diesem allumfassenden Namen enthalten. Sie werden in ihn hineingezogen und werden darin zu Nichts, lösen sich sozusagen in dem Namen ‚Allah‘ auf.

 

Wer bist du, wer bin ich?
Was ist dann von uns noch übrig, wenn sich die göttlichen Namen und Eigenschaften darin auflösen?

Man weiß nicht, was sich hinter den ‚Schwarzen Löchern‘ oben am Firmament verbirgt. Alles ziehen sie in sich hinein. Man kann sich das nicht vorstellen: Dort herrscht keine Zeit; diese ziehen sie in sich hinein, schlucken sie. Und was dahinter ist weiß man nicht, weil wir es nicht sehen können. Aus der Endlichkeit wird die Zeit genommen und in die Unendlichkeit gebracht; aus dem Nichtsein in die Existenz. Ich berichte nur, beweisen müsstet ihr. Wenn ihr es also nicht glaubt: Geht selbst hinein und seht, was passiert...

 

Das Dunkle nimmt dich hinein, das Licht am anderen Ende gibt dich frei. Man braucht sich nur einen Spiegel anschauen: Die Seite, die spiegelt, stellt alles dar - die Rückseite ist nur schwarz: Man sieht nichts.

 

Spieglein, Spieglein an der Wand: Bist du das Schwarze Loch? Im Grunde ist der Spiegel dazu da, einem die Wahrheit zu zeigen. Wenn du nicht hinein schaust, siehst du nichts. Schaust du hinein, siehst du, wie die Zeit vergeht: Du wirst immer älter und älter.

Mein Bruder, stell dir vor, du bist ein Baby – süß und niedlich. Nie hattest du jemals zuvor in einen Spiegel geschaut. Die Zeit ging ins Land, inzwischen sind die Jahre vergangen - fünf, zehn, zwanzig, vierzig Jahre - doch du machst immer noch „ngä ngä“. Denn du hast ja noch nie in den Spiegel geschaut um zu erkennen, dass du kein Baby mehr sondern älter geworden bist.

 

Die spiegelnde Seite des Spiegels zeigt die Zeit und steht für den Namen ‚Allah‘. Wenn wir ‚Allah‘ sagen, sehen wir die Gesamtheit der Schöpfung, der Existenz, auf dem Spiegelbild. Die andere Seite des Spiegels ist ‚Hu‘ - der Allmächtige. Und das ist dunkel, verborgen. Dunkel kann auch Finsternis bedeuten. Der Anfang ist schwarz, das Ende ist schwarz, beides ist verborgen. Die Farbe schwarz ist die größte Farbe: Sie stellt Macht dar – und das nicht nur im negativen Sinne.

 

Schaut man in den dunklen Himmel oder ins dunkle Meer bekommt man eine Gänsehaut. Dunkelheit strahlt eine unbekannte Macht und Kraft aus, deren Wirkung und Ausstrahlung der Mensch spürt.

Was ist denn drin?


„Du siehst ja, nichts! Ich glaube nur an das, was ich sehe.“
Gut, wenn du meinst - dabei ist alles darin...

 

Das, was du siehst ist im Vergleich zu dem, was du nicht sehen kannst, nicht einmal ein Staubkorn dessen.

 

Sag Allah!

 

Fatiha