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Allah Hu Haqq – Allah ist die Wahrheit

Bismillahirrahmanirrahim


Allah Hu Haqq – Allah ist die Wahrheit

 

Sheikh Eşref Efendi, Berlin,  07.03.2014

 

Wir sind dem Herrn dankbar und sagen „Elhamdulillah“ – Dank sei dem Herrn!

Denn Er hat uns die Gunst erwiesen, dass hinter uns eine spirituelle Kraft, ein spiritueller Pol steht, an dem wir uns anlehnen können - der uns an der Hand hält und uns führt.

 

Wie soll ein technisches Gerät ohne die Elektrizität funktionieren? Es braucht eine Kraft, die es durchfließt – so wie ein Kühlschrank oder eine Waschmaschine Strom benötigen. Beseelt, belebt – durch Elektrizität...

 

Elektrizität ist für den Menschen nicht sichtbar. Um diese Kraft mit der Hand berühren zu können, sie zu nutzen und sichtbar werden zu lassen, bedarf es eines Mantels, der die Elektrizität, im Stromkabel fließend, verhüllt.

Allah ist der, der sich verbirgt!

 

Spiritualität kann man nicht sehen. Die Verkörperung dieser Ummantelung, dieser Kraft, sind die Heiligen. Durch sie tritt diese göttliche Kraft in Erscheinung, an die wir uns auch halten können. In einem Gleichnis ausgedrückt sind sie sozusagen die Stromkabel, um Elektrizität nutzen zu können.

 

Unsere Ansprache in solchen Gemeinschaften wie hier bezieht ihre Kraft direkt von der spirituellen Quelle. Daher bitten wir vor Beginn um Unterstützung und Erlaubnis, von dieser Kraft Gebrauch machen zu dürfen – wir hätten hier sonst nichts zu erzählen.

In einem heiligen Vers heißt es: „Ohne die Erlaubnis des Herrn bewegt sich kein Blatt am Baum.“

 

Da dem so ist, würden wir ohne Sein Gewähren kein Wort hervorbringen können. Wenn wir bitten: „Oh Herr, halte uns bei der Hand, führe uns und nimm uns in Deine Obhut“, dann erhört Er uns. Denn Allah spricht: „Über die Hand derer, die du hältst, liegt meine Hand“ - die Hände der Propheten und Heiligen.

 

Allah Hu Haqq bedeutet: Allah ist die einzige Wahrheit! Außer Ihm gibt es keine andere!

Wann dies das erste Mal gesagt wurde, ist Sein Geheimnis, liegt in Seinem Wissen verborgen. Uns hier auf Erden wurde darüber das folgende Wissen zuteil: Der Prophet Mohammed (Friede sei mit ihm) suchte mit seinem treuesten Gefährten Zuflucht in der Höhle in Mekka. Allah trug dem Propheten (Friede sei mit ihm) auf: „Sprich, mein Gesandter, sag ‚Allah Hu Haqq‘!“

 

Mit diesem Befehl des Herrn nahm er die Hand seines treuesten Gefährten und sprach das Zikir ‚Allah Hu, Allah Hu, Allah Hu Haqq‘.

In jener Höhle hat Allah dem Propheten (Friede sei mit ihm) die Schule zur ‚Erziehung zum wahren Menschen› geöffnet: Die Naqshbandiyya - eine Schule zur Erziehung des Menschen zum höchstbesten Charakter. Das erste Wissen, was Allah ihn hierbei aussprechen ließ, hieß: ‚Allah Haqq‘ – Allah ist die einzige Wahrheit.

Ein jeder, der die Möglichkeit hat, sollte in dieser Höhle das Zikir ‚Allah Hu Haqq‘ sprechen.

Wann diese Schule gegründet wurde, weiß Allah allein. Das Wissen dieser Schule existiert in Seiner Weisheit seit der Vorewigkeit. Doch im Diesseits ist es am Tag in jener Höhle geöffnet worden.

 

Jene, die sich zur Naqshbandiyya-Schule hingezogen fühlen, sollten wissen, dass alle Seelen an diesem Tag anwesend waren. In der Gegenwart des Propheten (Friede sei mit ihm) und seines treuesten Gefährten nahmen sie an dem Zikir teil und wurden gleichzeitig Naqshbandi.

 

Allah gab jenen Seelen, die nach dem Propheten (Friede sei mit ihm) in diese Welt geboren werden sollten, die Erlaubnis, in der Höhle gegenwärtig zu sein. Mit der Himmlischen Airline Allahs, in der Seelen-Business-Class, wurde es ihnen in einem Augenblick ermöglicht, vor Ort das Zirkir ‚Allah Hu Haqq‘ zu sprechen. Anschließend hat der Herr sie wieder zu sich genommen, um sie zu den entsprechenden Zeiten in ihren Körpern ins Diesseits zu senden.

 

Etwas Einzigartiges wurde in dieser Welt geöffnet: Die Schule, in der der Mensch zum wahren Menschen wird. Es wäre nicht entsprechend der Größe und der Güte Allahs, wenn Er unsere Seelen an dieser Ehre nicht hätte Anteil haben lassen. Aus diesem Grund entsandte Er all unsere Seelen an diesem Tag an diesen Ort.

 

Wie soll das gehen? Für Allah ist das nicht unmöglich, für Ihn gibt es weder Raum- noch Zeitprobleme. Im Gegensatz zu uns: Immer wieder jammern wir „Es ist zu mir zu eng, es drückt.“ Und der Sheikh antwortet dir: „Wenn es dich drückt, geh aufs WC.“

Der Prophet (Friede auf ihn) sprach ‚Allah Hu Haqq‘ aus und fragte: „Oh Herr, ich glaube daran, doch bitte, was ist die tiefere Bedeutung dahinter? Öffne sie mir, so dass ich Gewissheit habe im Herzen, es weitersagen kann, auf dass mein Volk ebenfalls Gewissheit hat.

Der Herr sprach: „Oh, mein Gesandter, das ist wie ein endloser Ozean, denkst du, dass aus diesem Ozean nur eine einzige Sorte Lebewesen von Fisch hervortritt? Nein, endlos ungesehene, ungehörte Lebewesen in den verschiedensten Lebensformen existieren darin. Je tiefer du tauchst desto mehr erkennt man die Fülle.

‚Allah Hu Haqq‘ ist das höchste Wort.“

 

Es ist die höchste Verständnisstufe, die ein Mensch erlangen kann – Allah, der die Wahrheit ist. Wer dieses Wissen, dieses Verständnis erlangt, ist sowieso auf der höchsten Stufe. Wir müssen uns an dieses Wissen, an diese Weisheit, festhalten. Weil wir es nicht verstehen, brauchen wir diesen Halt. Daher rezitieren wir dieses Zikir so lange, bis wir zur Wahrheit darin gelangen.

Das Herz wird durch das Weltliche beschmutzt. So spricht der Herr: „Allah Hu Haqq‘ ist die bestmöglichste Reinigung des Herzens.“ Das Gedenken an den Herrn, Seine Lobpreisung, ist für das Herz wie eine Politur.

 

Das Gedenken an Ihn in Form eines Zikirs wurde uns von diesem ersten Tag an gegeben. Es hat die positive Kraft, die negative Energie im Herzen aufzulösen und umzuwandeln. Die Attribute und die schönsten Namen Allahs besitzen in sich Schönheit, Reinheit und Lebendigkeit. Jeder, der diese Namen zum Gedenken an den Herrn rezitiert, wird auch sein Herz reinigen und in positiver Weise verändern.

Ein Trend der heutigen Zeit ist es, von Zeit zu Zeit Kuren durchzuführen, um Schlacken und Giftstoffe aus dem Körper auszuschwemmen. Dies unterstützen die Menschen mit Medikamenten oder mit natürlichen Hilfsmitteln. Wir fragen, warum sie das tun. „Ja weil der Körper in dieser Welt durch das Weltliche vergiftet wird. Die Gifte dieser Welt haben einen schlechten Einfluss auf unseren Körper.“

Sicher, der Körper ist wichtig, um ihn kümmerst du dich - doch was ist mit deinem Herz? Diese Welt hat auch einen giftigen Einfluss auf dein Herz. Was ist mit den Toxinen und Schlacken in deinem Herzen? Weshalb machst du dich nicht auf, auch sie loszuwerden? Das Zikir, das Gedenken an den Herrn, ist eine Entschlackung; es reinigt das Herz von den Giftstoffen und den giftigen Ablagerungen dieser Welt.

Auch unsere Gedanken sind beschmutzt. In unserem Herzen tragen wir eine Behauptung, die lautet: „Ich bin auch existent.“ Sagt der Herr „Ich bin da, Ich habe ein Sein“ erwidern wir „Ich habe aber auch ein Sein.“ Genau dieses ‚Ich bin auch da‘ ist eine Krankheit des Menschen, die sein Herz vergiftet.

 

Je öfter man nun dieses Zikir macht und sagt: „Allah ist der einzig Wahre und Existente“ - Allah Hu Haqq und je stärker man daran glaubt, desto mehr wird sich diese Behauptung ‚Ich bin auch da‘ auflösen und zu einem Nichts werden.

Mit diesem Wort hat Allah hat dem Propheten (Friede sei mit ihm) in dieser Höhle das stärkste und das wirkungsvollste Medikament in das Herz des Menschen gegeben.

 

Der Zustand dieser Welt ist darin begründet, dass wir Menschen auf dieser Behauptung beharren: Wir sind, doch kein anderer ist. Deshalb sieht die Menschheit und die Welt so aus wie sie aussieht: Krank! Aufgrund dieser Krankheit im Herzen lehnen sich ihre Herzen gegeneinander auf, streiten die Menschen miteinander, erleben Enttäuschungen und haben Ängste, auch Existenzängste. Diese Daseins-Behauptung ‚Ich bin auch da‘ führt dann auch dem Herrn gegenüber zur Auflehnung.

Alle Beschwerden, wie jammern, schluchzen, fluchen und alles, was dazu gehört, der Neid und Hass, sind Reaktionen der Auflehnung, des Protestes - Ursache ist deine Behauptung!

 

Wir beäugen jemanden in einer besonderen Tätigkeit oder Position und denken uns „Auch ich könnte dieses tun“ oder „Eigentlich sollte ich an seiner Stelle auf dieser Position sein“. Wir behaupten, dafür ebenfalls würdig und dem auch gewachsen zu sein, erheben uns und sehen den anderen als minderwertig und ungeeignet.

 

Dies machen wir vielleicht in einem kleinen Kreis, innerhalb der Arbeit oder innerhalb einer Gesellschaft. Doch zieht das auch große Kreise und unsere Saat geht unter den Völkern auf: „Dein Territorium sollte eigentlich mir gehören, nicht du solltest es verwalten, sondern ich.“ Doch wie kann man dem anderen das nun aus der Hand nehmen? Ein Krieg entsteht!

 

Solange der Mensch seine Behauptung nicht beweisen kann, irrt er sich, ist er irregeleitet. Verirrt, beirrt wird er am Ende irren.

Wir sollten bescheiden sein und zuerst einmal den Herrn akzeptieren, indem wir sagen: „Oh Herr, Du bist derjenige, der existent ist. Nur weil Du bist bin ich.“ Schon allein aus Anstand sollte man das sagen.

 

Akzeptierst du den Herrn, wird Er dich auch von allen anderen akzeptieren lassen. Liebst du Ihn, wir Er auch alle anderen dich lieben lassen. Ihn als erstes anzunehmen ist das, was wir lernen müssen - uns in den Hintergrund und den Herrn in den Vordergrund zu stellen.

„La ilaha illallah“ – Es gibt nur Allah, sonst nichts. Nur Ihn!

 

Diese Wahrheit macht die Krankheit der Behauptung ‚Ich bin auch etwas‘ in unseren Herzen zunichte, befreit unsere Gedanken und Worte von diesem Übel. Allah hat dies den Propheten (Friede auf ihn) sagen lassen, als Medizin für unsere Herzen.

 

Auch sandte Er ihn herab, den Menschen das richtige Verhalten zu lehren. Damit diese Reinheit mit den Taten übereinstimmt, hat er ihnen saubere Taten vorgelebt. Aus diesem Grund haben wir die Meister, da sie in gleicher Weise handeln. Jedoch müssen wir unser Herz reinigen, soll es schließlich mit den guten Taten übereinstimmen – sowohl im Inneren als auch im Außen.

 

Ist dies vollbracht, kleidet Allah seinen Diener mit einer besonderen Autorität ein, über die der Herr sagt: „Seien sie auch gestorben, sag nicht, sie wären tot - denn sie sind lebendig.“ Warum? Weil sie in ihrem Herzen stets „Oh Herr, es gibt nichts außer Dich“ sagten und dies mit ihren Taten auch bezeugten.

 

Zu ihnen spricht Allah: „Ihr habt mich akzeptiert als das Sein, so will ich euch nun ein Sein geben. Ich bin – und ihr seid auch.“

Wer dies nicht akzeptiert, bleibt eine Null und am Ende wird er zunichte gemacht, wird annulliert. Immer wieder wirst du nach unten gedrückt werden:

 

Du bist eine Null!
„Nein, ich bin eine Eins, Sheikh.“
Nein, runter mit Dir...
„Warum tust du mir das an?“
Weil du eine Null bist, denn du hast Behauptungen!
„Ich habe doch schon all meine Behauptungen aufgeben!“
Diese eine Behauptung jedoch ist noch in dir, die muss auch weg.

Allah spricht: „Gibst du deine Behauptung zu sein auf, erbringe ich den Beweis, dass du bist. Solange du aber etwas behauptest... warum sollte ich es beweisen? Du stellst doch die Behauptung auf, dann lass du sie auch selbst als wahr erweisen – beweise du es!

Wir müssen uns Tag und Nacht an unserem Zikir festhalten im Gedenken an unseren Herrn. Sowieso: Wenn du nichts behauptest, kann dich auch nichts berühren. Warum nicht? Weil du dann ein Nichts bist.

Schlag einmal in die Luft – was passiert? Nichts!

 

Die Luft erwidert nichts, denn sie behauptet nicht, etwas zu sein. Sie ist nur Nichts, nur Luft. Kannst du dich so verhalten, wirst du geheilt davon, von anderen schlecht berührt zu werden. Du musst dir sagen: „Niemand außer Allah nützt mir, und niemand außer Ihm kann mich vor Schaden bewahren.«

 

Du wirst von jemandem negativ berührt, das schmerzt dich und du klagst darüber. Woran liegt das? Du hast eine Behauptung im Inneren deines Herzens. Dein Klagen ist eine Auflehnung gegen das, was geschieht. Es rührt eben daher, dass du sagst, „Ich bin etwas und das, was mir widerfährt, berührt meinen Stolz, mein Selbst.“

 

Aufgrund dessen ist auch das Erste, was der Sheikh den Schülern in dieser Schule nahelegt, als Ratschlag, Empfehlung oder als Befehl: „Komm nicht mit Beschwerden zu mir. Beschwere dich nicht über jemanden, über irgendeine Situation. Klage nicht in meiner Gegenwart!“
Damit bremst er diese größte Krankheit in dir aus - deine Behauptung ‚Ich bin‘. Gerade willst du ihm gegenüber etwas hervorbringen, stoppt dich der Sheikh: „Komm nicht mit einer Beschwerde!“ In diesem Moment zwingt er dich, dein Anliegen hinunterzuschlucken. Gelingt es dir, verhindert er damit, dass du dich übergibst. Denn der, der sich übergibt, muss sich erneut reinigen. Du verlierst dadurch deine spirituelle Reinigung, du hast sozusagen das Schlechte in deinem Inneren nach außen gekehrt und bist selbst davon beschmutzt worden.

Die Gebote, die uns bestimmte Regeln vorschreiben, besagen unter anderem, dass man sich nach dem Toilettengang waschen muss, da man unrein geworden ist. Im tieferen Verständnis ist es in dieser Schule so, dass du dich nach einer Beschwerde beim Sheikh wieder waschen musst - du hast in diesem Augenblick deine spirituelle Reinigung verloren. So, als wärst du auf dem WC gewesen.

Auch ein Wortgefecht, ein Streit, verursacht eine Unreinheit, eine Beschmutzung, du musst dich danach waschen. Nein, musst du nicht – doch möchtest du wahrhaftig spirituell sein, solltest du.

 

So sagen die Heiligen: „Oh Mensch, lass ab von deinen Behauptungen und lass den Herrn den Beweis deines Seins erbringen. Tust du das nicht, er wird es nicht beweisen. Denn es gibt nichts zu beweisen, du hast ja nur Behauptungen. Überlass es Ihm, dich in allen Welten berühmt zu machen. Denn solange du selbst versuchst berühmt zu sein mit deiner Behauptung „Ich bin auch da“, wirst du zuerst in deinem Inneren den Krieg zu erleben. Und um das zu beweisen, wirst du den Krieg folglich nach außen tragen.

„Sheikh, in mir ist so ein Feuer, so ein Krieg, woher kommt das?“

 

Das Negative und das Positive haben begonnen, sich zu bekämpfen, die Flammen schlagen dann nach außen. Sei kein Nero! Er war ein Verrückter...

 

Eines Tages begegnete jemand einem Derwisch und sprach: „Mein Bruder, ich sehe dich hier schon seit längerem und bemerke deine lichtvolle Erscheinung, solch eine Schönheit, die von dir ausstrahlt. Ich würde auch gern ein Schüler desjenigen sein, der dich unterrichtet. Würdest du deinen Meister fragen, ob er mich als Schüler annimmt?“ Der Derwisch antwortete ihm: „Ja, ich werde zu ihm gehen und ihn fragen.“

 

So sprach der Derwisch bei seinem Meister vor: „Meister, jemand kam zu mir und fragte, ob er Ihr Schüler sein darf.“ Der Meister antwortete: „Unsere Tür ist offen, doch ist es nicht einfach, durch sie hindurchzugehen, auch ist es nicht einfach, auf diesem Weg ein Schüler zu sein. Da er aber so gern möchte, richte ihm aus, er möge kommen und mit der Arbeit beginnen. Weise ihm folgende Arbeit zu: Unsere Toiletten müssen geputzt werden.“

 

Damit ihr euch die Arbeit des Toilettenputzens in der damaligen Zeit richtig vorstellen könnt: Die WCs waren nicht wie heute ausgestattet. Früher gab es kein Toilettenpapier, es wurden Steine benutzt. Kleine Steine wurden, nachdem man sein Geschäft erledigt hatte, zur Säuberung benutzt. Die Steine ließ man vor Ort liegen. Sie wurden nicht weggeworfen, sondern es gab einen Beauftragten, der diese Steine reinigte. Man kann sie ja sonst nicht an einen Nächsten verkaufen...

 

Der Neuankömmling wurde zum Meister gebracht und man zeigte ihm seine Aufgabe. „Was, das soll ich machen? Ich habe eigentlich etwas anderes erwartet. Nun gut, ich werden mit der Arbeit beginnen.“

 

So vergingen Jahr um Jahr, schließlich ging er erneut zum Derwisch: „Bruder, seit Jahren verrichte ich nun diese Arbeit. Gibt es nicht irgendetwas anderes, was ich machen kann?“ Der Derwisch trug die Bitte dem Meister vor. „Nun gut, wenn er genug davon hat, soll er Arbeiten in der Küche verrichten; Kartoffeln und Zwiebeln schälen, dort gibt es genügend zu tun.“

In der Küche stellte er sich dem Küchenpersonal vor – „Ich bin der Neue. Es war nicht einfach, hierher aufzusteigen. Ich musste von ganz unten anfangen und mich hocharbeiten. Nicht jeder hat das Talent hierherzukommen, deshalb geht gut mit mir um.“

So vergingen Tage, Monate, Jahre...

 

Er wartete und wartete, doch es gab keine Beförderung. Wieder suchte er den Derwisch auf: „Bruder, die Jahre sind vergangen, gibt es denn nichts, womit ich etwas weiter aufsteigen kann? Meine Haare und mein Bart sind schon weiß geworden. Werde ich nicht bald befördert? Bitte frag den Sheikh, denn ich bin jemand mit weitaus mehr Fähigkeiten. Ich bin für höhere Aufgaben bestimmt als dazu, Klo-Steine zu putzen und Kartoffeln zu schälen.“

 

Der Sheikh antwortete dem Derwisch. „Er hält sich für gewachsen und reif. Gut, dann wollen wir doch mal sehen, er soll kommen und mir Tee servieren. Ich werde schauen, wie reif er wirklich ist und ihm eine entsprechende Aufgabe geben.“

 

Aufgeregt und in großer Vorfreude ging der Schüler während einer Ansprache zum Meister, den Tee in seiner zitternden Hand. Gerade als er den Tee reichen wollte, hob der Sheikh gestikulierend seine Hand – das Teeglas flog in die Luft und fiel zu Boden. Der Derwisch schloss seine Augen, vor Angst zitternd harrte er der Dinge, die nun kommen sollten. Da aber nichts geschah, öffnete er sie wieder: An einem Felsen am Wegesrand eines Waldes fand er sich wieder. Verwundert fragte er sich, wo und wieso er dort gelandet sei. „Hier kann ich nicht bleiben, ich werde mich auf den Weg machen.“ Den Wald hinter sich gelassen erreichte er einen kleinen Ort. Hungrig sichtete er ein kleines Lokal. Doch seine Taschen waren leer - ein Derwisch hat kein Geld...

 

Er sprach zum Gastwirt: „Ich habe Hunger, doch ich kann nicht zahlen.“ „Ach, keine Sorge“, entgegnete der Wirt, „dies ist nicht das gleiche Land, wo du herkommst. Du kannst essen und trinken so viel du willst, du musst hier nicht bezahlen.“

 

Nachdem der Derwisch gegessen und getrunken hatte, zog er weiter. Er begann zu frieren, sah in der Nähe ein Schneider-Geschäft und trat ein. In diesem Moment erinnerte er sich, dass er kein Geld hatte und ging wieder hinaus. Der Schneider folgte ihm nach draußen: „Mein Bruder, bleib doch, such dir aus was du möchtest, hier musst du nicht bezahlen, hier kannst du nehmen, was du willst.“

Den Derwisch freute das: „Wenn ihr hier schon so viel Gutes tut: Ich habe auch keinen Platz zum nächtigen, bitte zeigt mir einen Schlafplatz.“ „Hier oben bei mir“, antwortete der Schneider, „du kannst so lange bleiben wie du willst.“

 

Im Zimmer wollte er sich gerade zur Ruhe legen, als er plötzlich draußen das Schlagen von Trommeln und Rasseln vernahm. Er schaute aus dem Fenster und sah eine Ansammlung junger, tanzender Damen. Sie schrien und sangen lauthals. Sie feierten ein Fest, etwa in der Freude eines Henna-Abends.

 

Am nächsten Morgen erkundigte er sich beim Schneider über das nächtliche Geschehen: „Jeden Donnerstag treffen sich hier die ledigen Damen und tanzen auf der Straße. Die ledigen Herren schauen vor Ort, ob ihnen eine Dame gefällt. Ist dem so, hält er um ihre Hand an. Das ist bei uns so Brauch.“

 

Der nächste Donnerstag kam heran, wieder sah er den Damen zu und sprach zum Schneider: „Unter ihnen ist eine, die mir gefällt, gern würde ich um ihre Hand anhalten.“ „Gut, sagte der Schneider, dies ist die Tochter des Richters, gehen wir zu ihm.“ Mit der Lobpreisung ‚Bismillah‘ – ‚Im Namen des Herrn‘ und der Empfehlung des Propheten (Friede auf ihn) sprachen sie beim Vater vor: „Ich stelle drei Bedingungen. Bist du bereit sie zu erfüllen, kannst du um ihre Hand anhalten.“

„Ja, ich will sie erfüllen – doch habe ich kein Geld“, sagte der Schüler.


Der Richter erklärte: „Wir brauchen und wollen hier kein Geld. Wir Menschen in diesem Land verlangen nach Tugend. Bist du ein tugendhafter, so sei willkommen. Doch wisse, wenn du meine Tochter heiratest, bist du verpflichtet, auf drei Dinge achtzugeben: Du musst deine Hand, deine Zunge und deine Lende unter Kontrolle haben!“
„Für mich als Derwisch ist das kein Problem, nichts leichter als das.“

 

So heirateten sie. Die Zeit verging und es kam der Tag, als sie wieder einmal in ihrem Garten umher spazierten. Im Nachbargarten wuchs ein Orangenbaum, dessen Zweig mit einer Orange daran sich über den Zaun hinweg in ihren Garten neigte. Der Derwisch pflückte diese, da sie ohnehin schon fast zu Boden fiel. Eine Hälfte gab er seiner Frau. Gerade im Begriff die andere Hälfte selbst zu essen, hörte er seine Frau fragen: „Was hast du da gerade gemacht?“

„Wieso, was meinst du?“


„Du wolltest diese Orange essen, doch hast du den Besitzer nicht vorher gefragt.“
„Aber sie wäre doch sowieso auf unserem Weg gefallen.“


„Nichtsdestotrotz ist sie an diesem Baum gewachsen. Derjenige, der dafür Sorge trug, dass der Baum dort wächst, der sich um ihn gekümmert und gepflegt hat, ist der rechtmäßige Inhaber dieser Orange. Du hast mit deinen Händen Unrechtes getan und nicht tugendhaft gehandelt. Du hast nicht auf deine Hand geachtet! Ich kann nicht weiterhin mit dir zusammen sein.“ So sprach sie und eilte zu ihrem Vater.

Vor seinem Schwiegervater vorstellig wurde er zur Rede gestellt:


“Wie kannst du so etwas tun? Du hast versprochen, nicht unrecht zu handeln.“
„Es war keinesfalls Absicht, ich entschuldige mich, mögen Sie mir verzeihen.“
„Gut, doch es soll nicht noch einmal vorkommen.“

 

„Sicher nicht. Nun geben sie mir Ihre Tochter zurück und wir werden gehen.“

Die Zeit ging ins Land. Eines Tages kam er müde nach Haus. Er wollte sich gerade ausruhen, als es an der Tür klopfte. Er wusste, dass dort jemand vor der Tür stand, dem er ein Versprechen gab. Da er jedoch sehr müde war, wies er seine Frau an:
„Sag ihm, ich wäre nicht zu Hause und schick ihn wieder weg.“


„Du sagst mir, dass ich lügen soll? Du selbst hast gelogen und somit dein Wort nicht gehalten, deine Zunge zu kontrollieren.“ Und flugs war sie im nächsten Augenblick wieder bei ihrem Vater.

 

Der Richter schaute ihn an:
„Was bist du für ein Mann? Erst konntest du deine Hand nicht kontrollieren und jetzt nicht einmal deine Zunge.“
„Ja, ich weiß, es war Unachtsamkeit.“
„Nein, ein Derwisch darf nicht unachtsam sein, muss stets wachsam sein!“
„Es tut mir sehr leid, bitte vergeben Sie mir!“


„Das ist die letzte Warnung, es darf nicht wieder vorkommen! Noch einmal bekommst du meine Tochter zurück.“

Einige Zeit später kam der Schüler an einem Fluss entlang und sah, dass die ledigen Damen dort Wäsche wuschen. Er versteckte sich hinter einem Busch und dachte bei sich: „Ich schau mal, was sie dort so machen.“ An eine von ihnen fand er großes Gefallen. Er beschloss, jede Woche an diesen Ort zurückzukehren, um dieser Dame zuzuschauen. So in Gedanken vertieft spürte er plötzlich, wie ihn eine Hand von hinten am Kragen packte. Derjenige fragte ihn: „Schämst du dich nicht, ehrenhafte Frauen auf solch eine Weise anzuschauen?“ Und schon brachte er den Schüler zum Richter.

 

„Drei Bedingungen habe ich dir gestellt, zwei Mal habe ich dir bereits vergeben, doch du hast sie drei Mal gebrochen.“
„Ja, aber ich habe doch nichts gemacht!“


„Du hattest aber daran gedacht, es zu tun. Das zeigt schon allein deine Anwesenheit an diesem Ort. Für dieses Land bist du nicht geeignet, du kannst nicht weiterhin unter uns leben.“

 

Der Meister gab seinen Dienern die Anweisung: „Bringt ihn dorthin zurück, wo er hergekommen ist!“ So schleppten sie ihn zum Felsen in den Wald zurück und warfen ihn die Klippen hinunter.

 

In diesem Moment öffnete er die Augen und stand, noch mit dem Tablett, in der Hand, in der Gegenwart seines Sheikhs.

Dieser lächelte und sprach: „Mein Sohn, komm zu mir!“ Der Schüler kam näher. „Wie du siehst, bist du noch nicht so weit, den Dienst in der Küche zu verrichten. Du solltest weiterhin die Toiletten putzen. Du hast etwas behauptet, konntest dafür aber nicht den Beweis erbringen, dass dem auch so ist. Lass uns bestimmen, wann es für dich so weit ist. Wenn die Zeit reif ist, werden wir schon die richtige Entscheidung für dich treffen.“


„Ja aber Sheikh, mein Bart ist bereits weiß geworden, und vielleicht werde ich demnächst sogar schon diese Welt verlassen.“
„Dein weißer Bart soll kein Problem sein, wir können ihn anmalen – es gibt doch Schuhcreme. Wenn du es nicht schaffst zu Lebzeiten dahin zu kommen, wo du hin möchtest - wir werden dich in deinen letzten Atemzügen zu der Stufe erheben, dass du stirbst, bevor du stirbst - auf dass du unter der Erde nicht verdirbst.“

 

Wir alle haben Behauptungen in unseren Herzen. Nicht nur eine, tausende, Millionen von Behauptungen. Wir müssen sie ablegen!

Deshalb müssen wir uns an unserem Herrn festhalten und Ihn lobpreisen. Ihn müssen wir auf unserer Zunge tragen, damit dieses Wort „La ilaha illallah“ – Es gibt nur Allah - unser Herz berührt und es von unseren Behauptungen reinigt. Lassen wir von ihnen ab, der Herr selbst wird schon den Beweis für uns erbringen.

 

Mit Allah sollte unser Herz beschäftigt sein. Nicht mit der Welt, mit diesem oder jenem oder demjenigen oder derjenigen, sondern nur mit unserem Herrn. Damit wir Ruhe finden und diese auch anderen Menschen gegenüber ausstrahlen.

 

In der Ruhe gebe Ruhe!

 

Ruhe in Frieden!

 

Fatiha.