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Das Zeugnis deiner Liebe

Bismillahirrahmanirrahim


Das Zeugnis deiner Liebe

 

Sheikh Eşref Efendi, Berlin  27.04.2013

 

Suchst du nach der Liebe? Wie einfach ist es, in der Wüste eine Rose zu finden? Hält sich diese dort versteckt, dann ist es alles andere als einfach. Denn wo ist es lediglich möglich, in der Wüste die Rose zu entdecken? Nur dort, wo Wasser vorhanden ist. Und die Schwierigkeit besteht eben darin, in der Wüste auf Wasser zu stoßen.

 

Aber wie sollen wir in unserem verdursteten, ausgetrockneten und schwachen Zustand das Wasser und damit die Rose aufspüren? Wer sich nur „auf gut Glück“ auf die Suche hiernach begibt, der muss wirklich sehr viel Glück haben, um zu finden.

Vielmehr gibt es für eine erfolgreiche Suche stets eine bestimmte Methode. So erfordert es beispielsweise in der Wüste eines ganz bestimmten Vorgehens, um Wasser aufzufinden. Die Menschen suchen heutzutage nach der göttlichen Liebe. Aber es gibt bestimmte Voraussetzungen, die ein Suchender erfüllen muss und die ihn auszeichnen. Dennoch sagen die meisten Menschen: „Ich möchte keine Bedingungen für die göttliche Liebe erfüllen, um diese zu finden. Diese Liebe soll vielmehr auf mich herunterfallen wie der Regen, ohne dass ich etwas dafür tun muss. Ich möchte sie gratis bekommen, als Geschenk.“

 

Aber Mawlana Dschalal ad-Din ar-Rumi selbst sagt, dass die Angelegenheit der göttlichen Liebe einem Gerichtsprozess gleicht. Um diesen zu gewinnen, bedarf es eines Zeugnisses darüber, dass du wahrhaftig auf der Suche nach der göttlichen Liebe bist. Es ist also zunächst erforderlich, dass wir die göttliche Liebe zu unserem Prozess, unserem Lebenszweck und unserer Lebensaufgabe machen. Sie muss folglich zum Kernpunkt unseres Daseins werden.

 

Aber was ist unser Zeugnis darüber, dass wir wahrhaftig Suchende dieser Liebe sind? Etwas von uns muss unseren Status als wahren Anwärter dieser Liebe bezeugen. Denn der Herr fragt dich: „Du begehrst nach meiner göttliche Liebe, aber wer bezeugt die Wahrhaftigkeit dieses Verlangens? Wer ist dein Zeuge? Welches Beweisstück kannst du mir bringen?“

 

Und die großen Heiligen wie Mawlana oder Ibn Arabi, die wahrhaftig diese göttliche Liebe gefunden und gekostet haben, fragen dich: „Was hast du aufzubringen an Bemühungen? Bist du durch das Feuer gegangen? Bist du jemals durch das Feuer gegangen?“ Und jeder Mensch antwortet: „Ja, ich bin durch das Feuer gegangen.“ Aber dem entgegnen die Heiligen: „Auf welche Art und Weise bist du durch das Feuer gegangen? Hast du darüber geklagt, dass du durch das Feuer gehst?

 

Hast du dich über deinen Zustand beschwert? Hast du Selbstmitleid gehabt? Oder aber hast du deinem Herrn für den Zustand gedankt und darauf vertraut, dass er vorübergehen werde? Hast du den Zustand geduldig über dich ergehen lassen oder fortwährend beklagt?“

Wenn wir das Leben der großen Heiligen wie Mawlana oder Ibn Arabi betrachten, von denen wir wissen, dass sie von der göttlichen Liebe gekostet haben, gucken wir nur auf ihren Zustand in der Liebe. Aber wir schauen nicht danach, durch welches Feuer sie gegangen sind und welches Opfer sie für diese Liebe erbracht haben.

 

Mansur El-Halladsch opferte für diese Liebe sein Selbst, indem er sich hat in Stücke teilen und töten lassen. Durch die Art und Weise seines Todes legte er ein Zeugnis über die Liebe zu seinem Herrn ab. Dadurch, dass Mansur El-Halladsch sich selbst opferte, bezeugte er mithin die Wahrhaftigkeit seiner Liebe.

 

Ausgangspunkt dieser Selbstaufopferung war seine Aussage: „Ich bin die Wahrheit, ennel haqq!“ Die Menschen schauten lediglich auf diesen Satz und verurteilten ihn dafür, anstatt nach der hinter diesen Worten liegenden Bedeutung zu suchen. Denn Mansur El-Halladsch sagte, er sei zu dem geworden, den er liebe: „Ich bin eins geworden mit dem, den ich liebe. Ich bin diese Liebe geworden.“ Das hat er mit den Worten „Ennel Haqq“ gemeint.

 

Die Menschen, die über Mansur El-Halladsch richteten, schauten nicht auf seinen Zustand der wahrhaftigen Liebe, in dem er sich befand. Denn um diesen Zustand verstehen zu können, hätten sie sich selbst in ihm befinden müssen. Vielmehr verstanden die Menschen seine Aussage wortwörtlich und verurteilten ihn dafür. Wenn er „Ennel Haqq“ sage, bedeute dies: „Ich bin der Herr, ich bin der Wahre!“ Und dementsprechend fragten sie: „Was an dir ist göttlich? Du bist ein Mensch wie wir! Und nun behauptest du, Gott zu sein.“ Infolgedessen haben sie ihn also getötet.

 

Dabei boten die über Mansur El-Halladsch richtenden Schriftgelehrten sogar an, von einer Verurteilung abzusehen und Gnade walten zu lassen, wenn er von dem Ausspruch „Ennel Haqq“ ablasse. Doch dieser entgegnete: „Ich leugne meine Liebe nicht. Ich bin der, der ich bin. Ich bin diese Liebe.“ Auf die Warnung der Schriftgelehrten, dass man ihn teilen, ins Feuer werfen und dort verbrennen lasse, antwortete er: „Denjenigen, den die Liebe schon verbrannt hat, kann nichts anderes mehr verbrennen. Neben dem Schmerz, den dir die Liebe bzw. der Geliebte schon gegeben hat, ist alles andere nicht mehr spürbar. Deshalb kann mich nichts berühren.“

Die entscheidende Frage ist, wer von uns für diese Liebe bereit ist, ein Opfer dieses Ausmaßes zu erbringen. Wie viel würden wir für unsere Liebe opfern, wenn es darauf ankommt? Die göttliche Liebe birgt viele Gefahren in sich.

 

Betrachtet man die Geschichten der Heiligen, die für ihre Liebe getötet wurden, stellt sich uns die Frage, wer sie in diese Richtung bis hin zum Tode getrieben hat. Haben sie diesen Weg von sich aus eingeschlagen? Oder wer beziehungsweise was hat sie dorthin getrieben?

Als Mansur El-Halladsch dieses „Ennel Haqq“ sagte, zogen die Schriftgelehrten ihn zur Rechenschaft und brachten ihn vor Gericht. Sie führten an, dass dieser Ausspruch nach den göttlichen Geboten einer Strafe bedürfe.

 

Unsere ursprüngliche Absicht war es, über eine andere Sache zu erzählen. Aber Mansur El-Halladsch hat eingegriffen und die Sohbet in diese Richtung gelenkt. Er gibt uns die Worte vor und deshalb sollten wir gut zuhören.

 

Haben sich nun die Schriftgelehrten der damaligen Zeit die Scharia und damit die göttlichen Gebote ausgedacht? Oder kommt die Scharia, also das göttliche beziehungsweise himmlische Grundgesetz, direkt von Gott?

 

Die Scharia dient als Grundgesetz der Ordnung zwischen den Menschen und innerhalb der Gesellschaft, wie es der Himmel für unsere Erde vorgesehen hat. Sie ist also das Gesetz des Herrn selbst. Das göttliche Gebot schreibt nun vor, dass für den Ausspruch „Ennel Haqq“ die Todesstrafe vorgesehen ist. Und wie jedes der göttlichen Gebote hat auch dieses seine Weisheit.

 

Und innerhalb dieser Gebote gibt es einen unendlich freien Raum der Toleranz. Und dies bezeichnen wir als Tariqat beziehungsweise die Europäer als Sufiweg. Aber der Sufiweg ist nicht außerhalb des göttlichen Gebotes. Betrachtet man das göttliche Gebot von außen, sieht es sehr eng aus. Schaust du aber auf den Sufismus, sieht dieser unendlich weit aus und du denkst eigentlich, er gehe über die Gesetze hinaus.

 

Das ist jedoch nicht möglich. Denn der Sufismus ist die Perle in der Muschel und ohne den Schutz der Schale kann die Perle weder existieren noch wachsen. Findest du also die Perle, ist auch die Muschel als ummantelnder Schutz stets vorhanden.

Die Schriftgelehrten klagten Mansur El-Halladsch nun aufgrund seiner Worte „Ennel Haqq“ vor Gericht an, denn nach dem Wortlaut der göttlichen Gebote bedarf diese Aussage einer Strafe.

 

Der Richter aber war jemand, der selbst auch von dem inneren Kern des Weges wusste und bereits auch selbst schon einen gewissen Zustand der Liebe erfahren hat. Daher fragte er zunächst, von wem der Ausspruch „Ennel Haqq“ stamme. Als die Gelehrten antworteten, dass dies die Worte Mansur El-Halladschs seien, entgegnete er, dass er ihn nicht verurteilen könne, da dies seine Kompetenz übersteige. Denn schließlich hat der Richter selbst auch schon von diesem Zustand der Liebe gekostet.

 

Die Gelehrten beharrten jedoch darauf, dass ein Urteil gefällt werden müsse. Daraufhin sagte der Richter: „Das übersteigt meine Grenze, aber ich werde ihn an die höchste Instanz weiterleiten. Die höchste Instanz in der heutigen Zeit ist Großsheikh Junaid Baghdadi, ein Sufimeister. Wenn dieser Fall gelöst wird, dann nur von ihm. Er ist in der Lage, ein gerechtes Urteil zu fällen. Denn ich habe Angst, dass am Tage des Gerichts der Herr über mich ein Urteil fällt. Denn jemanden, der ein wahrhaftig Liebender ist, kann ich nicht verurteilen.“

Und so gingen die Gelehrten zu Junaid Baghdadi und klopften an seine Pforte. Er öffnete und sagte: „Ich bin bereit, lasst uns gehen.“ Auf die Frage der Gelehrten, woher er wisse, worum es gehe, antwortete er: „Der Herr hat mir berichtet, worum es geht. Ich bin bereit, lasst uns zum Gericht gehen.“

 

Als Junaid Baghdadi den Gerichtssaal betrat, entledigte er sich seines Sheikhgewandes und bat den Richter darum, ihm stattdessen seine Robe zu geben. Er zog also die Robe des Schriftgelehrten und damit die Robe des Gesetzes an und sagte: „Jetzt können wir das Urteil fällen, bringt den Angeklagten herein.“

 

Daraufhin brachten die Gelehrten ihn in den Gerichtssaal. Die Frage von Junaid Baghdadi, ob er Mansur El-Halladsch sei, bejahte er. Zwar kennen sich die Heiligen untereinander, aber vor Gericht gibt es weder Freund noch Feind. Vielmehr muss dort Gerechtigkeit besprochen werden.

 

Deshalb fragte Junaid Baghdadi Mansur El-Halladsch, ob er tatsächlich „Ennel Haqq“ gesagt habe und sich der Konsequenzen dieser Aussage bewusst sei beziehungsweise diese tragen könne. Daraufhin bejahte dieser seine Bereitschaft, jegliche Konsequenz für seine Worte zu tragen.

 

Somit sprach Junaid Baghdadi: „Ich trage die Robe des Richters und werde entsprechend dem göttlichen Gesetz so über dich richten, wie es geschrieben steht. Mögest du getötet, in Stücke geteilt und verbrannt werden.“ Und Mansur El-Halladsch antwortete: „Ich beweise meine Liebe und meine Asche soll hierfür Zeuge sein. Sie soll das Feuer meiner Liebe bezeugen.“

 

Nun kommen wir zu der Weisheit des göttlichen Gebotes. Denn es stellt sich schließlich die Frage, ob das auf dieser Grundlage ergangene Urteil nicht grausam ist.

 

Diese Frage öffnen wir von einer anderen Tür. Das göttliche Gebot ist in dieser Weise so fordernd und hart, damit sich der wahrhaftig Liebende von dem Heuchler trennt. Man muss schon verrückt sein, trotz dieser bevorstehenden Strafe seiner Liebe treu zu bleiben. Das göttliche Gebot verlangt von dir ein Zeugnis, du musst einen Beweis erbringen. Für den Ausspruch „Ennel Haqq“ ist die obige Strafe vorgesehen. Bist du also bereit, diese Strafe anzunehmen? Dazu reicht es nicht aus, verrückt zu sein. Du musst schon jenseits des Verrückten sein.

 

Bist du verrückt für die göttliche Liebe, besitzt du die Heiligenstufe. Alles andere ist verrückt. Wir nämlich sind verrückt von der Liebe. Verrückt für die Liebe ist eine andere Sache als verrückt von der Liebe. Versteht Ihr dieses Wortspiel?

 

Das göttliche Gebot dient also dazu, den aufrichtig Liebenden von dem Heuchler zu trennen und diesen davon abzuraten, unter den Menschen Lügen zu verbreiten. Denn wer behauptet, auf dieser Stufe zu sein, muss die Konsequenz ertragen.

Für Mansur El-Halladsch hingegen war es keine Behauptung, sondern vielmehr ein Beweis. Dementsprechend sagte er, dass seine Asche das Zeugnis seiner Liebe sein solle. Denn dass du wahrhaftig liebend bist kannst du nur beweisen, indem du die Konsequenz für deine Liebe erträgst. Und so sprach er: „Wenn ihr mich auf diese Weise verurteilt, wird mein Körper Zeugnis über meine wahrhaftige Liebe ablegen.“

 

Nun stellt sich die Frage, ob Mansur El-Halladsch als Einziger für seine Liebe auf diese Art und Weise zu sterben bereit war. Nein, aber er hat dies stellvertretend für alle wahrhaftig Liebenden auf sich genommen um damit ihre Opferbereitschaft zu zeigen. Und dadurch besitzt er eine andere, besondere Stufe. Aber diese ist stellvertretend für alle Liebenden, also auch für Mawlana, Yunus Emre oder andere, die die wahrhaftige Liebe schon gefunden haben.

 

Denn die Heiligen sterben, bevor sie gestorben sind.

Und derjenige, der schon tot ist bevor er gestorben ist, ist bereits wahrhaftig lebendig geworden. Selbst wenn du ihn verbrennst oder in Stücke teilst, kannst du ihn nicht töten.

 

Man brachte also Mansur El-Halladsch zum Schafott und schnitt ihm nach und nach Hände und Füße ab. Währenddessen gab er nicht ein Wort der Klage noch sonst irgendeinen Laut von sich. Nur als Junaid Baghdadi eine Rose auf ihn warf, gab er einen kurzen Schmerzenslaut von sich.

 

Es berührte ihn nicht, dass die von seinem Zustand nichts verstehenden Menschen ihn in Stücke teilten. Aber es ergriff Mansur El-Halladsch, dass ein wahrhaftiger und mit ihm die Liebe teilender Freund ihm diese Rose zuwarf. Und dies hat bei ihm in diesem Augenblick einen Schmerz hervorgerufen.

 

Nachdem sie ihn nun in Stücke geteilt und verbrannt haben, wirbelte ein Windhauch die Asche auf und auf dem Boden stand mit seiner Asche „Ennel Haqq“ geschrieben. Und in diesem Augenblick haben die Gelehrten ihren Fehler erkannt.

Für Würdige ist dieses Urteil die Pforte zu dem Geliebten und damit eine Belohnung und hohe Stufe. Für Unwürdige wie Betrüger oder Lügner hingegen ist es eine richtig harte Strafe. Wer von uns ist bereit zu sagen: „Oh mein Geliebter, meine Asche ist der Beweis für das Feuer meiner Liebe?“ Wir sind noch nicht soweit, wir müssen noch trainieren.

 

Mawlana sprach: „Wahre Liebe ist eine Verurteilung und bedarf immer eines Beweises. Allah wird dich nach deinem Beweis fragen. Wo ist dein Leid? Wo sind deine Klagen, Wehwehchen, Krankheiten und Probleme? All dies sind deine Beweisstücke. Der Mensch ist erschaffen, aber wer wurde als Erster erschaffen?“

 

Heute ist die Nacht des Geliebten. Wenn diese heutige Nacht nicht gewesen wäre, dann gäbe es weder dich noch gäbe es uns. Ohne diese Nacht würden wir nicht existieren. Und deshalb spricht der Herr: „Bist du Anwärter der göttlichen Liebe, dann sage den Code, die Chiffre. Sag Allah und sag auch den Namen seines Geliebten: La ilahe illallah, Muhammeden Resulullah.“

 

Der Herr sprach: „Oh mein Geliebter, wärest du nicht, so hätte ich nichts erschaffen.“ Wer als Anwärter der göttlichen Liebe nach dieser verlangt, muss den Namen des Herrn („Allah“) sagen und auch den Namen seines Propheten lobpreisen.

 

Was bedeuten die Salaavats „Allahümme salli alaa Muhammedin we alaa aali Muhammedin we sellim” und „Allahümme salli we sellim alaa, nebina Muhammed aleyhisselam, salaaten tedumu we tüchda iley, menera leyali we tuleddewam“? Dies sind Liebesbekundungen an den Propheten, mit denen wir sagen: „Oh Herr, oh Prophet Muhammed, Geliebter des Herrn, Meistgeliebter in der göttlichen Gegenwart, möge eure Liebe bis in alle Ewigkeit fortdauern. Und wir bezeugen eure Liebe.“ Über das Salaavat, also die Lobpreisung des Propheten, sagt der Herr: „Oh mein Geliebter, oh Muhammed, ich habe deinen Namen lobpreist. Ich habe deinen Namen erhöht und lobpreise dich. Und ich befehle auch meinen Engeln und den Menschen, dass sie dich lobpreisen.“

 

Mit dem Glaubensbekenntnis „Esch-hedu enla ilaahe illallah we esch-hedu enne Muhammeder Resulullah“ bekunden wir, dass es keinen gibt außer den Einen und dass der letzte Prophet sein Gesandter ist. Dies ist also die Bezeugung unseres Glaubens, wohingegen die Bezeugung der Liebe des Herrn und seines Propheten das Salaavat ist. Damit legen wir Zeugnis über die Liebe des Geliebten und des Liebenden ab. Der Herr ist der Liebende und all seine Propheten sind seine Geliebten. Lobpreisen wir den Gesandten, so lobpreisen wir beide gleichzeitig und gemeinsam.

 

Dies ist eine Wegbeschreibung zur göttlichen Liebe. Sofern diese in der Kirche oder Synagoge ebenfalls gegeben werden kann, finden die Menschen diese Liebe auch dort. Anderenfalls geben zumindest wir eine Wegbeschreibung.

 

Moses, der Friede sei mit ihm, kam mit dem Gesetz. Er brachte sowohl die Nächstenliebe als auch die Disziplin, wobei er erstere in den Hintergrund und letztere in den Vordergrund stellte. Und nach Moses kam der Prophet Jesus, der Friede sei ebenfalls mit ihm. Dieser kam auch mit dem Gesetz von Moses, stellte aber hingegen die Nächstenliebe in den Vordergrund und die Disziplin in den Hintergrund. Und anschließend kam mit dem Propheten Muhammed, der Friede sei mit ihm, der letzte der Propheten. Dieser kam gleichermaßen mit der Disziplin als auch mit der Nächstenliebe. Und der Herr sprach, dass er mit ihm den Weg vollkommen gemacht habe.

Mit dem letzten Propheten ist der Weg zur göttlichen Liebe in jeglicher Hinsicht vollkommen geworden. Die anderen Propheten brachten zwar ebenfalls diesen Weg. Jedoch brachte jeder von ihnen immer nur einen Teil hiervon, wobei dieser freilich für sich betrachtet vollkommen war.

 

Die Propheten eröffneten den Menschen entsprechend der jeweiligen Zeit die erforderlichen Gebote, um die göttliche Liebe zu erreichen.

Die Gebote waren also dem Verständnis der Menschen in der maßgeblichen Epoche angepasst. Denn mit der Zeit hat dieses natürlich zugenommen. Heutzutage verfügen wir über viel mehr Dinge, als die Menschen in früheren Zeiten, so dass sich auch die Art und Weise unseres Verständnisses gewandelt hat.

 

Und dementsprechend handelten die Propheten. Hätte der Prophet Jesus, der Friede sei mit ihm, beispielsweise seine Botschaft dem Volke des Propheten Moses, der Friede sei ebenfalls mit ihm, gebracht, wäre dies Verschwendung gewesen. Denn es wäre für das Volk zu viel und damit nicht zeitgemäß gewesen, da die Bedingungen schließlich unterschiedlich waren.

Mit dem Zikir „Allahümme salli we sellim alaa, nebina Muhammed aleyhisselam“ bezeugen wir die Liebe des Liebenden und des Geliebten. Und wir sind das Zeugnis dieser Liebe, denn der Herr sprach: „Wenn du nicht wärest, dann hätte ich nichts erschaffen.“ Unsere Existenz ist also die Frucht der Liebe zwischen dem Herrn und seinem Diener.

 

Heute haben wir hier eine Eheschließung vollzogen. Diese kam zustande, weilzwischen den beiden Ehepartnern eine Zuneigung, Liebe und Herzensverbindung ist. Besteht solch eine Liebe, trägt diese mit dem Willen des Herrn wahrscheinlich auch Früchte. Voraussetzung dafür ist, dass Mann und Frau gemeinsam eine Einheit eingehen, d.h. miteinander eins werden.

 

Diese Einheit ist jedoch nicht in dem Maße, dass Mann und Frau ihre Identität aufgeben. Der Mann bleibt also der Mann und wird nicht zur Frau. Umgekehrt wird die Frau nicht zum Mann. Durch die Eheschließung sind beide Partner miteinander verbunden worden und haben eine Einheit begründet, aber dennoch behält jeder seine eigene Identität.

 

Der Herr weist das Attribut des Liebenden („ya vedud“) auf, er ist also der Liebende. Und diese Eigenschaft des Liebenden muss sich zeigen. Diese Liebe muss also in gewisser Weise nach außen gekehrt werden, damit sie sichtbar wird. In der Existenz gibt es aber nichts als den Herrn. Wem soll er diese Liebe dann also öffnen? Aus diesem Grund hat der Herr sich ein Geschöpf erschaffen. Er erschuf sich einen Geliebten, zu dem er sagen kann „Ich liebe dich.“ und von dem er hören kann „Ich liebe dich auch.“

Aber wie hat er das gemacht? In der Existenz gibt es keinen anderen außer ihn, so dass dort auch kein Geliebter vorhanden sein kann. Dem Herrn kam der Einfall, die Liebe im Spiegel der Liebe zu erschaffen. Er erschuf also einen Spiegel, der seine göttliche Liebe reflektiert beziehungsweise wiederspiegelt.

 

Die heutige Nacht ist gesegnet. Denn es wird geöffnet, was nie zuvor gesagt worden ist. Subhanallah! Wir befinden uns tief in der Quelle.

Was ist ein Spiegel und wofür brauchst du ihn? Welche Funktion kommt ihm in der Existenz zu? Man benötigt ein Spiegelbild, also eine Reflektion beziehungsweise Wiederspiegelung.

 

Der Herr ist der einzige wahrhaftig und aufrichtig Liebende. Eigentlich ist er der einzig Liebende in der Existenz, da es in dieser abgesehen von ihm nichts gibt. Und was hat er nun gemacht? Er hat sich einen Spiegel geschaffen und diesem gegenüber seine Liebe geäußert und preisgegeben. Er hat sich vor den Spiegel gestellt und zu diesem gesagt: „Ich liebe dich.“ Und ratet mal, was derjenige, den er im Spiegel gesehen hat, geantwortet hat? „Ich liebe dich auch.“ Ist das nicht romantisch?

 

Und nun sprechen beide miteinander: „Oh mein Geliebter, ich werde mich dir vorstellen. Ich bin der Herr, Allah. Und dir muss ich auch noch einen Namen geben. Obwohl du mir ähnlich siehst, sind wir nicht identisch. Du benötigst einen Namen, mögest du Muhammed heißen. Habibi (= Geliebter), oh mein Habibi! Von deinem Spiegelbild werde ich andere Spiegelbilder erschaffen. Du bist mein Spiegelbild, alles andere ist dein Spiegelbild. Zwischen uns beiden jedoch passt weder etwas herein noch kann etwas heraus. Die anderen aber können zuschauen und Zeuge unserer Liebe sein. Sie sollen stets und auf ewig von unserer Liebe singen: „Allahümme salli we sellim alaa, nebina Muhammed aleyhisselam, salaaten tedumu we tüchda iley, menera leyali we tuleddewam.“

 

Warum müssen wir das singen? Warum müssen wir den Liebenden und den Geliebten immer wieder und immer mehr lobpreisen? Alle unsere Gebete und Lobpreisungen dienen nur dazu, dass wir ihrer Liebe näherkommen. Durch diese Bezeugungen erhalten wir eine Kostprobe von der Tafel der Liebe. Durch diese lässt der Herr seine Diener von der Liebe kosten und schmecken. Allerdings erhalten wir letztlich nur eine Kostprobe, denn wir sind nicht in der Lage, die Liebe zwischen dem Liebenden und dem Geliebten tatsächlich schmecken, kosten und verstehen zu können.

 

Dies ist vergleichbar mit der Situation, wenn du dir beispielsweise einen Liebesfilm anschaust. Zwar kannst du die Romantik zwischen den beiden Liebenden dieses Filmes nicht in gleicher Weise schmecken beziehungsweise empfinden, aber zumindest erhältst du eine Kostprobe, indem du jedenfalls auch eine gewisse Art der Liebe in dir fühlst. Und obwohl es sich nur um einen Film handelt, rufen die Schauspieler beim Zuschauer Gefühle hervor.

 

Anderenfalls würde schließlich niemand das Kino besuchen oder sich einen Film anschauen, wenn man die Gefühle nicht nachempfinden könnte. Es ist eine seltsame Sache, dass du die Beziehung zwischen den Liebenden in einem Film automatisch nachempfindest und in deinem eigenen Inneren auch eine Art dieser Liebe fühlst.

 

Während es bisher nur zweidimensionale Filme gab, kann man sich nunmehr sogar dreidimensionale Filme anschauen. Und stellt euch vor, es gibt sogar sechsdimensionale Filme. Schneit oder regnet es also in dem Film, spürst du dasselbe und erlebst es sozusagen „live“. Friert der Schauspieler, musst du auch frieren, um die Situation noch lebendiger nachvollziehen zu können. Im Kino gibt es inzwischen schon sechsdimensionale Filme.

 

Diese Situation im Kino ist ein Produkt der Menschen. Und wir Menschen sind Geschöpfe des Herrn, wir sind sein Kunstwerk. Und ist dann Allah nicht erst recht in der Lage, eine entsprechende Situation zu erschaffen? Das Zeugnis der Liebe zwischen dem Liebenden und dem Geliebten sind in erster Linie die Propheten und Heiligen. Sie sind dieser Liebe am nächsten und kosten von dieser. Aber sie sind nicht in der Lage, in diese Liebe hineinzugehen. Nichts kann zwischen diese Liebe eindringen. Jedoch sind die Propheten und Heiligen dieser Liebe am nächsten. Insofern kannst du sie mit den Kinobesuchern vergleichen, die durch den Film auch eine gewisse Art der Liebe spüren können.

 

Das Kino dient als Beispiel für ein besseres Verständnis. Wie hat man mit der Lovestory im Kino angefangen? Zunächst in schwarz-weiß und anschließend in Farbe. Erst gab es zweidimensionale Filme, nunmehr gibt es auch schon dreidimensionale Filme. Mittlerweile gibt es sogar sechsdimensionale Filme. Man spürt immer mehr und ist fast selbst Teil des Filmes. Wenn es beispielsweise schneit, bekommst du auch diesen Schnee ab. Wenn ein Geschöpf es so weit bringen kann, wie ist es dann mit Allah, dem Schöpfer?

Das Zeugnis der Gesandten, Propheten und Heiligen über die Liebe zwischen Allah und seinem Meistgeliebten ist unendlich. Denn ihre Liebe zum Herrn wird nie weniger sondern unterliegt auf Ewigkeit einem stetigen Wachstum. Es gibt also unendliche Stufen des Abschmeckens und Mitfühlens der Liebe zwischen dem Herrn und seinem Meistgeliebten.

 

Dies ist somit nicht vergleichbar mit der Liebe zwischen zwei Menschen, die durch den nach kurzer Zeit dazwischentretenden Alltag vermindert wird. Diese Liebe steigt zunächst ganz stark an und fällt anschließend ebenso stark wieder ab. Sie besteht dann nicht mehr und es verbleibt lediglich die Abhängigkeit.

 

Dies ist die kalte Realität. Aus der Liebe wird somit Abhängigkeit und Droge. Die Liebe zwischen dem Herrn und seinem Geliebten hingegen wird jeden Tag stärker und wächst ständig. Und nichts kann dazwischentreten.

 

Stell dir nur beispielsweise vor, du bist verliebt und auch deine Frau ist in dich verliebt. Nun passiert es dir jedoch, dass du sie beim Einkaufen vergisst. Dies ist ein Liebeskiller und Beweis dafür, dass man sich nicht wirklich liebt. Den denjenigen, den man wirklich liebt, kann man nicht vergessen.

 

Was ist die Liebe? Beschützt die Liebe oder tötet die Liebe? Liebe tötet alles, was dazwischen gerät. Mashallah, gesegnete Nacht.