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Der Weg aus der Angst

Bismillahirrahmanirrahim


Der Weg aus der Angst

 

Sheikh Eşref Efendi, Berlin, 04.10.2013

 

Wer keine Selbsterkenntnis hat, hat Angst!

Die Fragen machen uns Angst: Die Fragen im Herzen, die Fragen im Kopf.
Wann hört das Fragen auf? Wenn man erkannt hat. Hat man sich selbst erkannt, hat man auch keine Fragen mehr. Die Fragen stammen demnach aus der Bewusstlosigkeit und aus der Unwissenheit.

 

Wäre man wahrhaftig wissend und hätte erkannt, also wahrhaftig gesehen, gehört und gespürt, gäbe es sowieso kein Bedürfnis zu fragen. Der Schöpfer fragt niemals, Er gibt uns die Erkenntnis und das Wissen, immer. Niemals ist Er in der Frageposition - aber du, ich, er, sie, wir sind alle ständig nur in der fragenden Haltung.

 

Das liegt daran, dass wir beschränkt sind. Wir sind eingeschränkt, haben Grenzen. Über diese können wir nicht hinausgehen, können die Dinge nicht ‚hinter der Wand’ sehen. Aus diesem Grund tun sich uns Fragen auf.

 

Wer nicht weiß, was ihn ‚hinter der Wand’ erwartet, wird aus der Unwissenheit heraus Angst bekommen. Er wird im Zwiespalt sein. So wie das Kind, das sich im Leib der Mutter festhält und nicht heraus möchte. Denn auch das Kind weiß nicht, was es draußen erwartet.

Nicht zu wissen, nicht zu hören, nicht zu sehen, somit in Unkenntnis zu sein, verursacht immer Angst. Wann wird diese Angst verschwinden? In dem Augenblick, wo man sich selbst erkennt – man über sich selbst weiß, über sich selbst sieht und über sich selbst hört. Das ist der Anfang dafür, auch alles andere erkennen zu können. Das ist der Weg, die Angst zu verlieren...

 

Wir sagten vorhin zu einem Bruder, dass er sein wahres Gesicht gefunden hat – sein neuer Bart steht ihm gut und bringt seine wahre Schönheit hervor. Du solltest dem Glauben schenken, was wir hier sagen, ansonsten bist du ungläubig.

Es ist besser zu glauben, als nicht zu glauben. Wenn man glaubt hört man auf, in einem Zwiespalt zu sein: Ist es so richtig oder besser so... Der Glaube gibt eine Richtlinie vor, er vermittelt dir Sicherheit. So, wie es geschrieben steht und dir vorgesetzt wird, ist es richtig für dich. Weil du glaubst hältst du dich an die Vorgaben; somit besteht keine Notwendigkeit mehr, dir über Richtig und Falsch Gedanken zu machen. Du musst nicht mehr selbst mit dir herumexperimentieren.

 

Dann braucht man nicht mehr darüber nachzudenken, ob es nun besser wäre, die eine Seite zu rasieren und die andere Seite wachsen zu lassen. Was sieht schöner aus? Oder vielleicht doch lieber beide Wangen rasieren und nur einen Kinnbart stehen lassen? Einfacher ist es, wenn jemand zu dir spricht: „So wie du jetzt aussiehst, bist du schön, und so ist das auch richtig für Dich.“ Dann hast du deinen Frieden.

Dabei sollte man aber nicht jeden beliebigen fragen, sondern besser zu einem Spezialisten, zu einem Ästheten gehen. Zum Beispiel zu mir! Komm im Zweifel zu mir, zu einem Ästheten, der etwas von Männlichkeit und Schönheit versteht.

Mach keinen Unfug, stell dich nicht vor den Spiegel und lass das experimentieren.

 

Denn eigentlich ist der Gläubige der Spiegel des Menschen. Einen solchen Spiegel gilt es zu finden und ihn zu bitten: „Zeig mich mir, stelle mich mir vor.“ Das ist ein Geheimnis, das der Prophet mitteilte: Der Gläubige ist des Gläubigen Spiegel! Darin wird zum Ausdruck gebracht, dass du einen wahren Menschen finden musst. Jemand, der sich bereits selbst erkannt hat und dich nun auch mit dir bekannt machen kann.

 

So stellst du dich vor den Spiegel und stellst ihm eine Frage, verlangst etwas von ihm: „Stelle mich mir vor. Zeig mir, wie ich bin. Sag mir, wie ich mich schöner machen kann.“

 

Die Aufgabe des Spiegels besteht darin, dich mit dir bekannt zu machen. Er öffnet sich dir und zeigt dir, wo deine Makel sind. Vielleicht denkst du makellos zu sein. Besitzt du jedoch keinen Spiegel, läufst du mit Pickeln und mit Popel in der Nase umher und glaubst, du wärst makellos und sauber. Die anderen rennen vor dir weg - und du weißt nicht warum. Um unsere körperlichen Makel zu bereinigen und auch zu verdecken, benötigen wir einen Spiegel. Uns das zu zeigen ist seine Aufgabe, dafür ist er verantwortlich.

Wie macht das ein herkömmlicher, normaler Spiegel?
Wortlos!


Du musst selbst schauen und anschließend wissen, was zu tun ist. Der Spiegel zeigt dich dir, doch ohne Worte. Er erklärt dir nicht, wie du deine Nase putzen sollst und die Pickel entfernen kannst. Es gibt den Spiegel für deine Seele, für deinen Charakter, für dein Verhalten, für deine Menschlichkeit, für den Weg, wie du zum Menschen wirst. So finde einen Spiegel, der zu dir spricht, einen sprechenden Spiegel.
Er muss in der Lage sein, dich dir zu erklären, zu beschreiben und dein Verständnis für dich selbst zu öffnen.

 

Wenn du in einem Zustand der Achtlosigkeit und Unaufmerksamkeit fällst oder wenn du wieder einmal schläfst und dir deiner Handlungen, Worte und Taten nicht bewusst bist, dann muss dieser Spiegel dich auch wachrütteln können, entweder mit oder ohne Worte.

Wie bei einer Person, die ohnmächtig ist, nicht bei Bewusstsein: Man rüttelt oder schüttelt den Menschen oder gibt ihm gar eine Ohrfeige, damit er zu sich kommen kann. Genau das muss der Spiegel im übertragenen Sinn auch mit dir machen. Das hört sich nicht schön an, aber wie sollen wir das sonst beschreiben?

 

Fällt jemand in Ohnmacht, gibt man ihm eine Ohrfeige, oder etwa nicht? Das ist auch eine Barmherzigkeit - aus Barmherzigkeit: Eine Ohrfeige aus Barmherzigkeit!

 

Nicht jeder Spiegel zeigt deine originale, wahrhaftige Gestalt. Es gibt Spiegel, die zeigen dich verzerrt: Einige schlank und groß, andere klein und dick.

 

Selbst wenn der Spiegel dich schlank und groß zeigt, dass deinem Ego gefällt und es dir schmeichelt, so sind dies dennoch nicht dein wahres Selbst und deine wahre Gestalt. Das jedenfalls wird dich nicht voranbringen. Aber es wird dich glücklich machen, dein Ego fühlt sich angenehm angesprochen - obwohl der Spiegel dich betrügt. Du siehst aus wie 2,80 m, dabei bist du nur 1,50 m und obwohl du eigentlich fett bist, siehst du in diesem Spiegel richtig schlank aus.

 

Lang und schlank - aber der Spiegel ist nicht blank. Willst du in solch einen Spiegel schauen, der dich betrügt, dich schöner und perfekter zeigt, als du in Wahrheit bist? Bist du deshalb hier? Wir brauchen einen Spiegel, der uns zeigt, wie wir sind und uns sagt, wie wir zu sein haben, wie wir uns schöner formen können.

 

Wie gesagt, nicht jeder Spiegel ist in der Lage, dich dir klar und deutlich zu zeigen und dir deine wahrhaftige Gestalt zu reflektieren. Der, der das kann, muss wirklich klar und rein, von höchster Qualität sein. Doch nicht nur klar, sondern auch wahr - mit der Wahrheit verbunden, so dass er sich dir in Wahrheit widerspiegeln kann.

 

Er zeigt dir, welches Gewand dir steht und welches nicht. Trägst du das Gewand eines Tieres, muss dieser Spiegel zu dir sprechen: „Entledige dich dieses Gewandes und zieh menschliche Gewänder an.“ Du aber wendest ein: „Ja, aber es ist gerade Mode, tierische Gewänder zu tragen.“

 

Sei es auch modern: Ist es tierisch, passt es nicht - und man muss nicht immer der Mode hinterherlaufen.

Bisher wurde in der Menschheitsgeschichte nie das Beispiel in dieser Weise genannt, dass die Menschen den Tieren nacheifern: Tiere sind nackt! Die Mode der heutigen Zeit bekleidet die Menschen nicht, verhüllt sie nicht, sondern öffnet sie, macht sie nackt. Das jedoch ist eine tierische Eigenschaft, keine menschliche. Der Mensch ist ein Wesen, das bedeckt wird. Tiere hingegen sind unbedeckt, sind offen, sind nackt.

 

„Ich möchte nicht, dass es Krieg und Feindschaft gibt, Sheikh.“ Wir auch nicht. Aber solange sich die Menschen mit tierischen Gewändern bekleiden, wird es keinen Frieden geben.

 

Sprechen wir von den tierischen Gewändern, sind die Eigenschaften der Tiere gemeint. Was passiert, wenn der Mensch sich mit tierischen Eigenschaften kleidet und beginnt, diese hervorzubringen? Er fängt an, andere zu beißen, zu treten, zu stechen. Er beginnt, anderen Fallen zu stellen und sie zu zerfleischen, wenn er sie in seine Hände bekommt. Das sind die Eigenschaften des Tieres, das ist ihr Charakter, in dieser Weise sind sie gekleidet.

 

Deshalb muss man sich auf die Suche machen, wenn man spirituell wachsen will und sich auf dem spirituellen Weg weiterentwickeln möchte. Finde einen Spiegel, der nicht nur mit Worten zu dir spricht, sondern dir auch auf eine gewisse Art und Weise wortlos, auf einem ungesehenen, ungehörten und für dich unbekannten Weg etwas vermitteln kann. Sei es auch dadurch, dass er dich wachrüttelt oder dich eben ohrfeigt.

 

Du musst so einen spirituellen Spiegel finden, der dir über dich die Wahrheit sagen kann, ohne dass er Angst haben muss, dass du vor ihm wegläufst. Er muss dir aufrichtig die Wahrheit über dich sagen dürfen, auch wenn es dir vielleicht nicht gefallen könnte.

„Warum stehst du vor mir?“, wird er dich fragen. „Willst du die Wahrheit von mir hören, soll ich sie dir zeigen? Oder nicht? Wenn nicht, kannst du gleich gehen, weg von hier! Du brauchst dich nicht vor mich stellen. Doch bleib, wenn du nach der Wahrheit verlangst und nach ihr suchst, auch wenn es bitter schmeckt falls der Spiegel dir rät: „Das steht dir nicht, weg damit!“

Auch der Farbkontrast muss stimmen.

 

Nicht jeder Spiegel kann das. Dein physischer Spiegel hier, für deinen Körper und deine Pickel zuständig - selbst da hast du Schwierigkeiten, den Richtigen zu finden, der dir widerspiegelt, wie du wahrhaftig aussiehst...

„Dieses Kleid steht dir nicht, oh Mensch, weg damit.“
„Zieh heute blau an.“
„Zieh heute nicht rot an.“
„So siehst du nicht schön aus.“

 

Weiß man selbst, was für einen am Besten und am Schönsten ist, muss man sich doch die Frage stellen, warum man dann überhaupt einen Schönheitsexperten aufsucht. Besitzt man aber über sich kein Wissen, so stellt sich wiederum die Frage, warum man dann nicht den Worten des Spiegels folgt. Du musst dich entscheiden! Wenn du denkst, dass du ausreichend über dich Bescheid weißt, dann geh doch nicht zu ihm...

 

Willst du aber mehr über dich erfahren, dann hör zu und folge! Nachdem er dich erkannt hat, wird er dir sagen, was für dich passend ist. Dabei geht er nicht nach seiner Sichtweise, sondern danach, was richtig für dich ist.

 

Ein Meisterbarbier schneidet deine Haare nicht einfach immer nur nach dem gelernten gleichen Schema – so arbeiten Amateure. Der wirkliche Meister schaut in dein Gesicht und auf deine Kopfform, schneidet deine Haare - beim Mann natürlich auch den Bart - entsprechend deiner Statue - passend zu dir, individuell. Die Experten gehen nicht nach ihrem eigenen Geschmack. Sie müssen sich immer nach dem richten, der vor ihnen steht. Es gibt keine einheitliche Behandlung: Sie verschönern dich mit einem individuellen Schnitt.

Der Meister, dein Spiegel, lässt dich das grüne Gewand nicht nach seinem Belieben anziehen, sondern weil es passend für dich ist.

Manchmal kommen Leute zu uns und fragen nach, ob sie zu einem bestimmten Zeitpunkt reisen können, zum Beispiel auf die Philippinen: „Nein, reise nicht.“


Ein anderer möchte in den Amazonas fahren und wir sagen: „Ja, reise.“
Daraufhin folgt die Beschwerde: „Sheikh, du hast mir nicht erlaubt auf die Philippinen zu reisen, aber dem anderen erlaubst du die Reise in den Amazonas.“


Ja, aber du bist doch nicht der andere.

Wärest du der andere, würdest du auch die gleiche Erlaubnis bekommen. Aber du bist nicht der andere. Du bist du - der andere ist der andere.

 

Der Mensch, so komisch... In dem Moment, wo es um sein Ego geht, um Eigenvorteil, will er der andere sein; mit genau den gleichen Möglichkeiten. Dann werde von vornherein schon der andere.

Wie wird man der andere?


Lerne es! Komm zu mir!


Wenn du es gelernt hast, erhältst du die Erlaubnis.